Freitag, 13. Juni 2008

Städte-Ranking: Berlin schlägt London

Die weltweite Finanzkrise hält Europas Immobilienmärkte im Würgegriff - mit einer Ausnahme:
Berlin.

Das Interesse der Investoren wächst: Die Immobilien am Potsdamer Platz wurden gerade für rund zwei Milliarden Euro an die schwedische SEB-Bank und das Investmenthaus Morgan Stanley verkauft

Berlin - Die weltweite Finanzkrise hält Europas Immobilienmärkte im Würgegriff - mit einer Ausnahme: Berlin. Während in London, Paris und Madrid die Preise von Bürotürmen und Einkaufszentren, von Eigentumswohnungen und Penthäusern in die Tiefe rauschen, zeigt sich der Markt in der deutschen Hauptstadt erstaunlich stabil. Denn Investoren aus Skandinavien, den USA und dem Nahen Osten investieren kräftig in Berliner Objekte.
Fast im Wochentakt starten neue Projekte für Wohnquartiere und Hotels. Der Neubau des Großflughafens BBI und die Pläne für den Airport Tempelhof locken Großinvestoren aus aller Welt an. Rund um den Hauptbahnhof wachsen ganze Stadtquartiere aus dem Boden. Die Medienwirtschaft, innovative Industrien, die Pharmabranche und vor allem der Tourismus boomen.

Welchen Reiz die deutsche Hauptstadt auf milliardenschwere ausländische Immobiliengesellschaften hat, zeigt eine aktuelle Umfrage der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und des renommierten Forschungsinstituts Urban Land (ULI) unter rund 500 internationalen Immobilienexperten. Danach ist die deutsche Hauptstadt im Ranking der europäischen Standorte binnen Jahresfrist von Platz 25 auf Rang neun gestiegen.
Vier deutsche Städte liegen vorn Zwar schnitten Frankfurt/Main, Hamburg und München noch besser ab. Doch eines zeigte die Umfrage deutlich, meint Helmut Trappmann, Leiter des Immobilienbereichs bei PwC: "Berlin hat sich als Immobilienstandort zurückgemeldet." Die Entwicklung in Berlin sei bemerkenswert, lag es im Städte-Ranking 2007 noch abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. "Über den Aufstieg aus dem unteren Feld in die Führungsliga der europäischen Immobilienstandorte freuen wir uns", sagte Berlins Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). "Wir merken auch auf der Mipim in Cannes, wie stark das Interesse an Berlin ist."
Auf dem Berliner Immobilienmarkt sehen die PwC-Experten vor allem Potenzial für Wohnimmobilien. Hier raten 45 Prozent zum Kauf. Allerdings werden die Investitionsrisiken in Berlin (Rang 18) höher als in Hamburg und München eingeschätzt.

Nicht nur bei Wohn-, sondern auch bei Gewerbeimmobilien sehen Investoren in der Hauptstadt Potenzial. Das bestätigt auch Rolf Scheffler, Chefanalyst der Immobilienberatungsgesellschaft Aengevelt: "Weil Unternehmen in Berlin weiterhin neue Mitarbeiter einstellen, gehen Investoren davon aus, dass das Flächenangebot bei Wohn- und Gewerbeimmobilien in den kommenden Jahren schrumpfen und die Mieten von Wohnungen, Büros und Einzelhandelsflächen steigen werden."

Die hohe Erwartungshaltung spiegelt sich auch in der Preisentwicklung wider. "Während die Preise bei Londoner Gewerbeimmobilien seit Beginn der Krise im vergangenen Sommer um 20 Prozent gefallen sind, haben Berliner Topobjekte seither kaum an Wert verloren", berichtet Scheffler. In Toplagen ziehen die Spitzenmieten für Büros sogar wieder an.

Wie viel Geld manche Investoren trotz der Finanzkrise für Berliner Trophäen zu zahlen bereit sind, zeigt das Beispiel Potsdamer Platz. Ende vergangenen Jahres, inmitten der Turbulenzen an den Finanzmärkten, erwarb die schwedische SEB-Bank das Quartier vom Automobilkonzern Daimler für ihren offenen Immobilienfonds Immoinvest zum stolzen Preis von 1,4 Mrd. Euro. Die Bank beziffert die Rendite aus den Mieteinnahmen mit fünf Prozent. Das gesamte Sony-Center ging gerade an US-amerikanische Investoren wie Morgan Stanley. Die Rede ist von 600 Millionen Euro.

Dass Deutschlands Hauptstadt dem rauen Sturm an den internationalen Immobilienmärkten trotzt, hat mehrere Ursachen. "Anders als an vielen anderen Standorten stehen in Berlin derzeit vergleichsweise wenige Immobilien überhaupt zum Verkauf", analysiert Aengevelt-Chefanalyst Scheffler. Nach seinen Berechnungen wechselten in 2006 und 2007 Wohn- und Gewerbeimmobilien im Gesamtwert von 29,8 Mrd. Euro in der Hauptstadt den Eigentümer. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Atisreal übertraf das Investmentvolumen am Berliner Gewerbeimmobilienmarkt im vergangenen Jahr erstmals sogar das Geschehen in München und fiel lediglich geringfügig geringer aus als in der Bankenmetropole Frankfurt/Main.
Wegen der hohen Erwerbsnebenkosten (Makler-, Notargebühr, Grunderwerbsteuern) werden Immobilien aber nicht sofort wieder am Markt angeboten. Die Käufer trennen sich meist erst dann von ihren Objekten, wenn deren Marktwert deutlich gestiegen ist. Scheffler: "Deshalb werden in diesem Jahr deutlich weniger Immobilien in Berlin zum Kauf angeboten werden als in den Vorjahren." Das dürfte das Preisniveau auch in den kommenden Monaten weiter stabilisieren. Preisstabilisierend wirkt zudem der Anstieg der Büromieten. Denn internationale Konzerne entdecken zunehmend Berlin als Standort.

So verlagerte vergangenes Jahr das US-Pharmaunternehmen Pfizer seine Deutschlandzentrale von Karlsruhe in die Spreemetropole. Nach einer Studie der Immobilienberater von CB Richard Ellis verteuerten sich die Büromieten in Berlin im vergangenen Jahr im Schnitt um 4,8 Prozent. Damit fiel der Anstieg signifikant höher aus als in vielen anderen Städten. In Hamburg konnten Eigentümer bei Neu- und Anschlussvermietungen die Preise lediglich um 2,2 Prozent erhöhen, in Lissabon nur um 1,3 Prozent. In Amsterdam, Athen und Brüssel stagnierten die Mietpreise sogar.

Mieten ziehen in der City an Nach einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft DTZ müssen Unternehmen für Büroflächen im West-Teil heute 2,50 Euro mehr pro Quadratmeter und Monat zahlen als vor einem Jahr. In der Innenstadt-Ost stiegen die Spitzenmieten gar um fünf Euro. Weitere Impulse erwartet DTZ-Bürovermietungschef Rainer Hamacher vom Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Berlin-Brandenburg International (BBI): "Das wird die Hauptstadt wirtschaftlich ein großes Stück voranbringen und für die Ansiedlung weiterer Unternehmen sorgen."


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